„Der beste Mann auf dem Platz war der Einarmige. Was ich von dem gesehen habe, war für mich bis jetzt unvorstellbar“. Kein Geringerer als der Weltklassespieler Alfredo di Stefano adelte Robert Schlienz nach einem Testspiel des VfB Stuttgart gegen die Nationalmannschaft Spaniens im Februar 1957 auf diese Weise. Mit seiner Charakterisierung von Robert Schlienz stand die Legende von Real Madrid schon damals keineswegs allein, denn niemand würde je einem Fußballspieler mit einem solchen Handicap derart glänzende Leistungen auf dem Platz zutrauen.
Die beeindruckende Geschichte des Robert Schlienz begann in Zuffenhausen, wo der am 3. Februar 1924 geborene Ausnahmekönner schon als Sechsjähriger – bereits sein Vater und die ganze Verwandtschaft waren beim dortigen FVZ zu Hause – auf der Schlotwiese die Fußballschuhe schnürte. Das große Talent aus dem Stuttgarter Norden blieb dem VfB Stuttgart nicht lange verborgen und Robert Schlienz wurde bereits während des Zweiten Weltkriegs für erste Spiele beim VfB Stuttgart eingesetzt. In der Premierensaison der Oberliga Süd 1945/1946 erzielte der gelernte Mittelstürmer in 30 Spielen 42 Treffer im Trikot mit dem roten Brustring und hatte damit entscheidenden Anteil am Gewinn der Meisterschaft in der neu gegründeten Spielklasse.
Beispielloses Comeback
Zwei erfolgreiche Jahre waren vergangen, als es am 14. August 1948 auf dem Weg zu einem Pokalspiel zu einem verhängnisvollen Verkehrsunfall kam, in dessen Folge Robert Schlienz einen großen Teil seines linken Armes verlor. Entgegen dem angesichts der Schwere der Verletzung vielfach prognostizierten Karriereende leistete der damals 24-jährige Schlienz anschließend nahezu Unvorstellbares: Binnen nicht einmal vier Monaten gelang ihm dank purer Willenskraft, eiserner Disziplin sowie tatkräftiger Unterstützung des damaligen VfB-Trainers Georg Wurzer am 5. Dezember 1948 im Spiel gegen den FC Bayern München ein beispielloses Comeback.
Um den „neuen“ Robert Schlienz – Georg Wurzer hatte ihn aus dem Sturm in die Läuferreihe beordert – formierte sich alsbald eine überaus starke VfB-Mannschaft, die sich in den Folgejahren anschickte, Titel um Titel zu holen. Als Herzstück des Teams war Robert Schlienz maßgeblich für den Gewinn der Deutschen Meisterschaften der Jahre 1950 und 1952, die Endspielteilnahme 1953 sowie für die DFB-Pokalsiege in den Jahren 1954 und 1958 verantwortlich und machte damit den VfB Stuttgart zu einem der erfolgreichsten Fußballvereine dieses Jahrzehnts in Deutschland. Ohne es selbst zu thematisieren, wurde Robert Schlienz zugleich ein Vorbild und Impulsgeber für viele Menschen mit Körperbehinderung und für sporttreibende Kriegsversehrte – zu einer Zeit, in der Inklusion und Teilhabe durch Sport überhaupt noch keine gesellschaftliche Relevanz besaßen.
Vorbild vieler Generationen von VfB-Spielern
Die Leistungen von Robert Schlienz im Trikot mit dem roten Brustring – mindestens 425 Spiele und 146 Tore stehen bei ihm zu Buche – fanden weit über den Cannstatter Wasen hinaus große Anerkennung. Aufgrund seiner beispielhaften Haltung wurde er zum Vorbild vieler Generationen von VfB-Spielern. Als Krönung seiner Laufbahn empfand er seine Berufung von Sepp Herberger in die Nationalmannschaft, bei der er 1955 und 1956 zu drei Einsätzen kam. Bis heute ist Robert Schlienz der einzige deutsche Nationalspieler mit Handicap.
Die Stuttgarter Sportjournalisten-Legende Hans Blickensdörfer brachte die Bedeutung von Robert Schlienz für den VfB Stuttgart einst auf den Punkt, als er schrieb, dass ohne ihn „die goldenen 50er Jahre nicht gekommen“ wären und ohne diese „der VfB keinen Platz in der Bundesliga gekriegt“ hätte. Nicht zuletzt deshalb erhielt Robert Schlienz, der nach seiner aktiven Laufbahn auch ehrenamtlich Verantwortung in der Vereinsführung übernahm, alle Ehrenzeichen des Vereins und wurde 1994 zum Ehrenmitglied des VfB Stuttgart ernannt.
Zu seinem 100. Geburtstag an diesem Samstag verneigt sich der VfB Stuttgart noch einmal vor dem herausragenden Menschen und Sportler Robert Schlienz. Wir alle sind ihm zu tiefem Dank verpflichtet. Er ist und bleibt unvergessen und stets präsent beim VfB und allen Fans, die ihn auch heute noch regelmäßig mit der Liedzeile „Robert Schlienz ist unser Held, war der beste Mann der Welt“ adeln, Jahrzehnte nach seinen einmaligen Glanztaten in weiß und rot.