Hallo Hansi, 1980 hast du einen deiner größten Erfolge gefeiert: den EM-Titel. Welche Erinnerungen hast du an diese Europameisterschaft?
Hansi Müller: „Im Vergleich zu heute waren die Europameisterschaften in der damaligen Zeit noch richtige Mini-Turniere. Es haben nur insgesamt acht Mannschaften teilgenommen, die beiden Gruppensieger haben nach der Vorrunde das Finale ausgespielt. Das ganze Turnier dauerte elf Tage und so sind wir nach lediglich vier absolvierten Spielen Europameister geworden. Am Ende ist der Titel aber für die Ewigkeit, egal ob acht, zwölf oder 24 Mannschaften an einem Turnier teilnehmen.“
Was war deine Rolle im damaligen DFB-Team?
Hansi Müller: „Wir hatten eine sehr offensive Mannschaft und haben im 4-3-3-System gespielt. Ich war Spielmacher hinter unseren drei Stürmern Klaus Allofs, Karl-Heinz Rummenigge und Horst Hrubesch und für die entscheidenden Pässe und Standards zuständig. Am Ende der Europameisterschaft – sicherlich auch bedingt durch den Gewinn des Titels – bin ich in die Elf des Turniers gewählt worden. Das war eine zusätzliche Auszeichnung, die einen stolz macht.“
Nimm uns doch einmal mit auf den Platz: Wie hast du damals die Spiele erlebt?
Hansi Müller: „Im ersten Gruppenspiel in Rom hatten wir mit den Tschechen eine harte Nuss zu knacken. Sie hatten eine gute Mannschaft und haben es uns schwer gemacht. Das erste Spiel eines Turniers ist eine Standortbestimmung und daher sehr taktisch geprägt. Daher ist auch nur ein Tor gefallen. Ich habe per Heber Kalle Rummenigge angespielt und er zum 1:0 eingeköpft. Im zweiten Spiel gegen die Holländer lagen wir dank überragender Leistungen von Bernd Schuster und Dreierpacker Klaus Allofs schon mit 3:0 in Führung, am Ende wurde es noch einmal knapp und wir gewannen 3:2, auch weil Lothar Matthäus wenige Minuten nach seiner Einwechslung in seinem allerersten Länderspiel einen Elfmeter verschuldete. Vor dem dritten Spiel gegen Griechenland, das 0:0 ausging, waren wir schon für das Endspiel qualifiziert und konnten uns auf dieses konzentrieren. Das Finale gegen Belgien war dann ein enges Spiel. Das Horst Hrubesch mit einem Doppelpack entschied, wir gewannen 2:1. Am Ende des Abends hielten wir einen schönen silbernen Pokal in der Hand.“
Welchen Stellenwert hat diese EM-Teilnahme in deiner Karriere?
Hansi Müller: „Der Titel von 1980 ist der größte, den ich in meiner Karriere gewonnen habe. Leider hat es zwei Jahre später bei der WM in Spanien nicht ganz für den noch etwas interessanteren Pokal gereicht. Wir hatten damals eine Mannschaft, die über 23 Spiele und eine Dauer von zweieinhalb Jahren unbesiegt geblieben war. So eine Zeit und insbesondere so ein Titel prägen einen für die Zeit danach.“
Was erhoffst du dir von der anstehenden Heim-EM?
Hansi Müller: „Mit dem Publikum im Rücken und der Tatsache, dass man in vertrauten Stadien spielt, könnte sich der Heimvorteil als großer Faktor entpuppen. Dass zusätzlich noch fünf Stuttgarter dabei sind, ist Weltklasse. Sie – genau wie die Leverkusener Spieler – bringen die Euphorie einer überragenden Saison mit ins Team. Insgesamt ist die Qualität des Kaders top und man hat zusätzliche kreative Elemente durch Ausnahmespieler wie Florian Wirtz, Jamal Musiala und Toni Kroos, der durch seine sechs Champions-League-Titel alles überstrahlt. Ich sehe die Chance, bis ins Finale durchzumarschieren, als groß an.
Wirst du Spiele der Europameisterschaft live im Stadion verfolgen?
Hansi Müller: „Ich werde am Tag des Eröffnungsspiels in München an zwei Talkrunden und einem Meet-and-Greet teilnehmen und mir abends auch das Spiel gegen die Schotten anschauen. Der DFB hat außerdem die Europameistermannschaft von 1980 zum Spiel gegen Ungarn in Stuttgart eingeladen, bei dem unter anderem auch Toni Schumacher, Bernd Schuster, Karlheinz Förster und ich dabei sein werden. Ich hoffe, die Jungs hauen ihre Gegner weg.“
Hansi Müller (* 27. Juli 1957 in Stuttgart) bestritt in seiner aktiven Karriere 224 Pflichtspiele für den VfB, in denen er 81 Tore erzielte. Beim VfB wurde er unter anderem 1975 Deutscher A-Jugendmeister und stieg mit dem Verein als Jungprofi in der Saison 1976/1977 aus der zweiten Liga in die Bundesliga auf und gewann 1979 die Vizemeisterschaft. Außerdem lief er in seiner insgesamt 15-jährigen Profilaufbahn noch für Inter Mailand, Calcio Como und den FC Tirol auf. Für die deutsche Nationalmannschaft absolvierte er ab 1978 42 Spiele (fünf Tore) und nahm an zwei Weltmeisterschaften (1978 und 1982) sowie der EM-Endrunde 1980 teil, die die DFB-Auswahl gewann. Heute ist Hansi Müller als Markenbotschafter des VfB tätig. Zudem hält der 66-Jährige Impulsvorträge vor Führungskräften, nimmt an Talkrunden teil und spielt leidenschaftlich Golf.