Hallo Thomas. Was hat es für dich bedeutet, zwei Jahre nach dem Sommermärchen auch bei der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz dabei gewesen zu sein?
Thomas Hitzlsperger: „Das hat mir sehr viel bedeutet. Die WM 2006 war ein großer Erfolg, allerdings habe ich da fast gar nicht gespielt. Zwei Jahre später wollte ich mehr Spielzeit bei einem großem Turnier bekommen. Wir sind ins Finale gekommen, ich habe vor allem ab der K.o.-Runde viel gespielt. Es war für mich die erfolgreichste Zeit als Nationalspieler.“
Welche Erinnerungen hast du an das Turnier?
Thomas Hitzlsperger: „Die stärksten Erinnerungen habe ich an das Viertelfinale, Halbfinale und an das Finale. Ich durfte alle drei Spiele von Beginn an absolvieren, habe gute Spiele gemacht und das Halbfinale auch durchgespielt. Dabei konnte ich den entscheidenden Pass auf Philipp Lahm zum 3:2-Siegtreffer spielen. Dieses Tor mit meiner Vorlage sehe ich heute noch ab und zu in den sozialen Medien. Es freut mich, dass man in dieser Szene mein gutes Passspiel erkennen konnte. Zu wissen, dass man ein fester Teil dieses Teams gewesen ist, freut mich sehr. Deutschland war damals nicht die beste Mannschaft, hatte aber den Status, dass man vor der deutschen Mannschaft immer großen Respekt hatte. Das hat man immer gespürt, auch im Finale. Spanien war überlegen, trotzdem hatte Deutschland etwas, was man irgendwie mitbekommt, wenn man in dieser Mannschaft spielt. Es war ein beeindruckendes Gefühl zu spüren, dass der Gegner großen Respekt vor dir hat.“
Wie genau sah deine Rolle im DFB-Team?
Thomas Hitzlsperger: „Die Rollenverteilung im Mittelfeldzentrum war klar. Mit Torsten Frings und Michael Ballack gab es zwei etablierte Spieler. Dann hat sich aber Torsten Frings im dritten Spiel verletzt, sodass ich regelmäßig dabei und ein fester Bestandteil war. Ich war immer zuverlässig und zur Stelle, wenn ich gebraucht wurde. Das ist nicht unwichtig in einer Gruppe, die vom Zusammenhalt lebt, und das haben auch die Leute geschätzt.“
Hast du dich noch lange über das verlorene Finale gegen Spanien geärgert?
Thomas Hitzlsperger: „Das war in einer Phase des Fußballs, in der der spanische Fußball dominiert hat. Die Spanier hatten mit Spielern wie Xavi, Iniesta, Fernando Torres, Sergio Ramos, Carles Puyol und Iker Casillas eine sensationelle Mannschaft. Wir hatten genug Realitätssinn, um dieses Spiel gegen diesen Gegner gut einzuordnen. Die Enttäuschung war natürlich groß, aber es ging schnell wieder weiter. Ich hatte nach dem Finale zwei Wochen Pause, dann ging es beim VfB schon wieder los. Es freut mich, sagen zu können, dass ich in einem EM-Finale von Anfang an auf dem Platz stand. Das war eine tolle Bestätigung für die jahrelange Arbeit.“
Hat die Teilnahme an der EURO 2008 also einen hohen Stellenwert für dich?
Thomas Hitzlsperger: „Ja, absolut. Ich habe mich in die Mannschaft reingebissen. Immer dranzubleiben, hat sich bezahlt gemacht. Der Trainer Joachim Löw wusste, was er an mir hatte, und dass ich bereit bin, auf der internationalen Bühne zu spielen.“
Was erhoffst du dir von der anstehenden Heim-EM?
Thomas Hitzlsperger: „Ich erhoffe mir eine gute Stimmung im Land. Wir haben schon die Erfahrung machen dürfen, was es bedeutet, ein Großereignis im eigenen Land auszutragen. Die WM 2006 hat damals das Beste aus uns hervorgebracht. Ähnliches wünsche ich mir wieder. Ich erhoffe mir, dass 23 Nationen zu uns kommen und positive Emotionen ausleben können. Ich freue mich riesig und werde es versuchen zu genießen. Ich halte Frankreich für die beste Mannschaft und tippe sie als Europameister.“
Thomas Hitzlsperger (5.4.1982) ist spätestens seit seinem Traumtor am 34. Spieltag der Meistersaison 2006/2007 eine VfB-Legende. 2005 wechselte der Mittelfeldspieler mit dem harten Schuss von Aston Villa an den Neckar, absolvierte 172 Pflichtspiele im Brustring-Trikot und gewann 2007 die Deutsche Meisterschaft. Mit der DFB-Elf wurde der 52-fache Nationalspieler WM-Dritter 2006 und Vize-Europameister 2008. Nach seiner aktiven Karriere, die er 2013 beendet hatte, war der gebürtige Münchener beim VfB in verschiedenen Funktionen tätig: ab 2016 erst in beratender Funktion, anschließend als Mitglied des Präsidiums, als NLZ-Direktor, als Vorstand Sport und 2019 bis 2022 als Vorstandsvorsitzender. Derzeit ist Thomas Hitzlsperger als Club-Mitbesitzer des dänischen Clubs Aalborg BK tätig. Bei der EURO 2024 ist Thomas Hitzlsperger als ARD-Experte und Botschafter für das Auswärtige Amt im Einsatz.