Erschöpft, aber auch erfüllt von zahlreichen einmaligen Erlebnissen und Begegnungen ist unsere U12 aus Ghana zurückgekehrt. Während der Faschingsferien verbrachten die jungen VfB-Talente acht Tage im Küstenort Kokrobite. Dort wohnten, arbeiteten und lernten sie die ghanaische Kultur kennen und machten Schritte in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, von denen sie noch lange zehren werden. Wie kam es dazu und wie halfen sie dort konkret? Ein Rückblick.
Im September des vergangenen Jahres stellte U12-Trainer Tim Kirk den Kindern und Eltern das Projekt vor. Nun begann die Vorbereitung, die „mindestens genauso wichtig war wie die Reise selbst“, wie Tim Kirk verdeutlicht. Die Jungs hatten die Aufgabe, die benötigten 10.000 Euro selbst zu verdienen und stellten eigenständig Geschäftsmodelle auf, mit denen jeder für sich mindestens 350 Euro sammeln sollte. Vom Kuchenverkauf über Autoputzen bis hin zum Laubfegen in der Nachbarschaft war der Kreativität keine Grenze gesetzt. Ein Spieler baute mithilfe seines Vaters ein Holzregal mit eingravierten Gesichtern der VfB-Profis. Zusätzlich organisierte die Mannschaft am 22. Dezember ein Hallenturnier in Hemmingen, bei dem nicht nur sie selbst, sondern auch die früheren Vereine der Spieler teilnahmen. Die Erlöse des Turniers, der dort stattgefundenen Tombola und zusätzliche Spenden brachten etwa 9.000 Euro ein.
Auch die VfB-Lizenzspielermannschaft beteiligt sich am Ghana-Projekt. Nachdem zwei U12-Spieler das Projekt dem Mannschaftsrat vorgestellt hatten, sammelte dieser Spenden von den VfB-Profis. Zudem stellten Chris Führich, Waldemar Anton, Serhou Guirassy und Pascal Stenzel ihre Matchworn-Trikots aus dem Bundesliga-Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen für eine Versteigerung zur Verfügung. Die VfB-Stiftung Brustring der Herzen förderte das Projekt der U12 in Ghana ebenso. Dafür unterstützen die Jugendspieler an zwei Heimspieltagen bei der Charity-Tombolaaktion sowie beim Team Barrierefrei und sammelten wertvolle Erfahrungen in den Projekten der VfB-Stiftung. Unterm Strich wurde die Zielsumme von 10.000 damit deutlich überschritten.
Bauen, lernen, kicken
In Kokrobite angekommen, machten sich die Jungs direkt ans Werk. „Natürlich haben wir auch Fußball gespielt“, sagt Tim Kirk. Die Kernaufgaben waren jedoch andere. „Die Jungs haben viele Plastikflaschen mit Sand befüllt und damit die Aquaponic-Tanks gebaut.“ Dies sind große Wasserbehälter, die nicht nur zum Lebensmittelanbau als Wasserspeicher für Hochbeete, sondern auch für die Fischzucht eingesetzt werden. Alte, nicht entsorgte Plastikflaschen werden dafür mit Sand gefüllt, in einem großen Kreis gestapelt und betoniert, sodass daraus die Aquaponic-Tanks entstehen. Dank dieser Becken werden die Menschen in Kokrobite unabhängiger von den überfischten Küstengebieten und können viele Lebensmittel selbst anbauen.
Auch die Arbeit im Kokrobite Children Center, dem örtlichen Lernzentrum, spielte eine große Rolle. Dort gestalteten die Jungs gemeinsam mit den Kindern aus Kokrobite Spiele und Unterrichtsstunden auf Englisch. „Die Interaktion zwischen den Kids war mein persönliches Highlight. Es war wirklich ein toller Austausch“, blickt Tim Kirk zurück. „Es war nicht so, dass unsere Jungs den anderen Kids viel beigebracht haben. Im Gegenteil: Wir haben viel von ihnen gelernt.“
Außerdem besuchten sie das Cape Coast Castle, eine Küstenfestung und UNESCO-Weltkulturerbe, wo zu Zeiten der Kolonialisierung hunderte Jahre lang Sklaven verurteilt, gefangen gehalten und gehandelt wurden. Dort wurde für die Mannschaft die Geschichte der Sklaverei in Afrika hautnah erlebbar.
All diese Aktivitäten verfolgten ein klares Ziel: die Persönlichkeit der Kinder weiterzuentwickeln. „Die Jungs haben fußballerisches Talent, sonst würden sie nicht bei uns spielen“, erklärt Tim Kirk. „Ob sie ihr Potenzial ausschöpfen und sich auf höchstem Niveau durchsetzen können, hängt aber vom Charakter ab. Und diese Reise war ein Test für den Charakter.“
Die Vermittlung zweier Werte stand dabei im Mittelpunkt: Widerstandsfähigkeit und Verantwortung. „Es geht um viel mehr als Fußball. Was die Jungs in diesem Projekt gelernt haben, nehmen sie für ihr ganzes Leben mit, nicht nur für den Fußball“, ist sich Tim Kirk sicher. „Sie wissen jetzt, dass sie noch selbständiger werden und noch mehr Verantwortung übernehmen können. Und das wollen sie jetzt, weil sie selbst gesehen und erlebt haben, wie es geht. Die Kids in Ghana sind die Vorbilder dafür.“
Stellvertretend für die gesamte Mannschaft fasste U12-Spieler Mateo Sprajc seine Haupterkenntnis von der Ghana-Reise zusammen: „Wir in Deutschland haben fast alles, dennoch sind wir nicht immer glücklich. Das ist in Ghana anders. Obwohl sie dort nicht viel haben, sind sie fast immer glücklich. Das zu sehen, fand ich sehr cool.“