Vier Spiele, vier Siege – besser hätte der Start von Daniel Jungwirth als neuer U17-Trainer des VfB nicht verlaufen können. „Ich bin schnell in Stuttgart angekommen. Es ist eine sehr schöne Stadt, und auch beruflich ging die Eingewöhnung sehr schnell“, sagt der 42-Jährige, der sofort von seiner neuen Mannschaft angetan war. „Die Jungs haben toll gespielt. Vor allem die Art und Weise hat mich begeistert. So kamen gegen gute Gegner dann auch starke Ergebnisse zustande.“
Zum Abschluss der Saison in der B-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest gewannen die Jungs aus Cannstatt beim FC Bayern München, seinem Heimat- und Jugendclub, mit 4:1 und beendeten die Saison auf Platz zwei. Daniel Jungwirth hat mit seinem Trainerteam nahtlos an die erfolgreichen Ergebnisse seines Vorgängers Jan Kirchhoff angeknüpft und dabei sowohl in der Mannschaft als auch im gesamten Nachwuchsleistungszentrum großen Anklang gefunden. Dabei kommen ihm insbesondere seine Erfahrungen aus seiner eigenen Karriere zugute.
Geboren und aufgewachsen in München, wechselte der talentierte, zehn Jahre alte Daniel Jungwirth 1992 vom FC Ismaning zum FC Bayern. Obwohl sich die Ausbildung in den Nachwuchsleistungszentren seitdem deutlich weiterentwickelt hat, sind die Sorgen, Probleme und Herausforderungen der Jugendspieler meist noch die gleichen – und Daniel Jungwirth kennt sie selbst nur zu gut. „Die Widerstände auf dem Weg zum Profifußball sind groß. Der Körper muss sich an die steigende Belastung gewöhnen. Dazu kommen schulischer Stress und private Probleme mit Freunden oder der Familie. Ich kann es einordnen, wenn jemand eine Entscheidung nicht voll professionell trifft“, sagt Daniel Jungwirth und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Ich selbst war bis Mitte 20 auch nicht der Professionellste. Bis dahin war ich einfach ein guter Zocker auf dem Platz.“
Über die zweite Mannschaft von Borussia Mönchengladbach und die Bayern-Amateure legte Daniel Jungwirth eine beachtliche Profilaufbahn in der 2. Bundesliga und der 3. Liga für Erzgebirge Aue, den FC Ingolstadt, den SV Sandhausen und die SV Elversberg hin. Als zentraler Mittelfeldspieler zeichneten ihn seine mannschaftsdienliche Spielweise, die technischen Fähigkeiten, seine Beidfüßigkeit und insbesondere sein strategischer Blick auf das Spiel aus. Letzteres kommt ihm heute auch als Trainer zugute. „Das hilft mir heute sicherlich. Gegen Ende meiner aktiven Karriere haben mich immer wieder meine Trainer auf die Seite genommen, um sich mit mir über taktische Punkte auszutauschen. Da habe ich gemerkt: Ich glaube, ich verstehe das Spiel.“
Abstand vom Fußball
Wäre bei vielen anderen Profis der fließende Übergang in den Trainerberuf der nächste logische Schritt nach der Karriere gewesen, war bei Daniel Jungwirth nach dem Karriereende 2014 mit 32 Jahren das Gegenteil der Fall. „Eigentlich wollte ich mit dem Fußball nichts mehr zu tun haben“, berichtet er. „Mein ganzes Leben hatte sich bis dahin um den Fußball gedreht. Ich dachte mir, es muss auch noch etwas anderes geben.“ Daraufhin arbeitete der Münchner mehrere Jahre als Sport- und Fitnesskaufmann – bis das runde Leder plötzlich wieder eine große Rolle in seinem Leben einnehmen sollte. „Ich hatte immer noch die Leidenschaft in mir. Deshalb nahm ich eine Anfrage vom TSV 1860 München an, der mich als Scout gewinnen wollte.“
So war Daniel Jungwirth plötzlich wieder mittendrin in der Fußballwelt. Seine Trainerlaufbahn steckte allerdings noch in den Kinderschuhen – im wahrsten Sinne des Wortes. Die U10 des Münchner Clubs FT Gern, dem Kindheitsverein von Philipp Lahm, war seine erste Mannschaft als Coach. „Ich wurde gebeten, die Mannschaft meines Sohnes zu übernehmen. Wir wurden damals sogar Stadtmeister. Es war eine schöne Zeit“, blickt Daniel Jungwirth zurück auf seine Anfänge als Trainer, die ihn nachhaltig geprägt haben. „In meiner Zeit als Verbandstrainer beim Bayerischen Verband habe ich es vielen Trainern geraten, mit einer Kindermannschaft anzufangen, denn für den Start ist es super. Kinder spiegeln dich am besten und verzeihen dir auch Fehler. Wenn der Trainer mit Begeisterung dabei ist, sind sie es auch.“
Es folgten ein Posten als Co-Trainer beim FC Erding, vier Jahre beim Bayerischen Fußball-Verband und parallel dazu zwei Spielzeiten als Assistenztrainer bei Türkgücü München, ehe der A-Lizenzinhaber 2020 zum DFB und ins Trainerteam von Nachwuchs-Bundestrainer Christian Wörns wechselte. Dabei war Daniel Jungwirth auch Co-Trainer des Jahrgangs 2005 mit VfB-Talenten wie Dennis Seimen, Samuele Di Benedetto oder Luca Raimund.
Daniel Jungwirth:
Kinder spiegeln dich am besten und verzeihen dir auch Fehler. Wenn der Trainer mit Begeisterung dabei ist, sind sie es auch.
Sein Profil als Trainer schärfte sich in dieser Zeit weiter. Als „individuell und pragmatisch“ bezeichnete dieses NLZ-Direktor Stephan Hildebrandt bei Daniel Jungwirths Vorstellung als U17-Coach beim VfB. „Meine Stärken liegen auf dem Platz. Ich kann mich in viele Situationen der Jungs reinversetzen, weil ich selbst auch ein Profi-Leistungszentrum durchlaufen bin. Mir geht es in erster Linie darum, dass die Jungs ihre jeweilige Position und die Grundlagen beherrschen, unabhängig von einem System.“
Überrascht und erfreut
Als im Frühjahr 2024 die Anfrage des VfB kam, stand Daniel Jungwirth als Co-Trainer der DFB-U19 mitten in der Vorbereitung zur EM-Qualifikation. „Ich war von der Anfrage überrascht, aber habe mich auch sehr gefreut. Die Gespräche waren sehr gut, sodass ich schnell wusste, dass das passt“, erklärt Daniel Jungwirth. „Denn die Philosophie des VfB passt total gut zu meiner persönlichen: zum einen offensiver Ballbesitz-Fußball, zum anderen aber auch der Ansatz, die Spieler aus der eigenen Region zu sich zu holen.“ So musste er also nicht lange überlegen und nahm das zweite Angebot des VfB an. Das zweite?
Als Daniel Jungwirth in der U16 des FC Bayern spielte, eröffnete sich ihm die Möglichkeit für einen Wechsel zum VfB. Er lehnte ab, wollte stattdessen in der Heimat bleiben. Nun hat er im zweiten Anlauf in Stuttgart eine zweite Heimat gefunden.