VfB Sportdirektor Sven Mislintat über…
… seine Entscheidung für den VfB:
„Ich habe mich zum VfB bekannt obwohl die Wahrscheinlichkeit 50:50 stand, dass dieser große Traditionsverein absteigt. Mit einem Engagement beim VfB habe ich mich auch schon deutlich länger beschäftigt, als viele denken. Im Sommer 2017 gab es den ersten Kontakt zwischen Wolfgang Dietrich und mir. Er fragte, ob ich es mir vorstellen könne, von Dortmund nach Stuttgart zu kommen. Das hat mich damals schon sehr gereizt, doch es war zu diesem Zeitpunkt einfach nicht möglich. Als ich später dann bei Arsenal in London war, präsentierte mir Wolfgang die Idee, gemeinsam mit Thomas Hitzlsperger beim VfB etwas zu entwickeln. Davon war ich absolut überzeugt, auch wenn ich mich natürlich damit beschäftigt habe, ob ich zu diesem Klub passe, ob ich 2. Bundesliga, ob ich das leisten kann. Meine Entscheidung fiel also mitten in eine schwierige Ausgangssituation mit der Möglichkeit des Abstiegs, aber auch ganz klar mit brutalem Potenzial. Ich gebe mein ganz klares Bekenntnis zu diesem Klub ab und beschäftige mich nur mit dem VfB. Ich bin immer geradeaus und gehe vorweg.“
… die Fehleranalyse sowie seine Schlüsse aus dem Abstieg:
„Mit dem Abstieg ist der Worst Case eingetreten. Das hört sich zwar erst einmal knallhart und brutal an, es bietet aber auch eine große Chance für einen Neuanfang. Denn wenn man weiter oben mitschwimmt und gerade noch so in der Bundesliga bleibt, wähnt man sich in der Sicherheit, nicht allzu viel falsch gemacht zu haben. Doch wir alle haben Fehler gemacht und obwohl ich erst ein paar Wochen hier bin, zähle ich mich ausdrücklich dazu und bin mitabgestiegen. Beim Klassenverbleib wäre die Fehleranalyse weit weniger hart ausgefallen, sodass wir möglicherweise wie bisher weitergemacht hätten. Wir müssen jedoch die Fehler klar und konsequent benennen und jeden Tag daran arbeiten, es in Zukunft besser zu machen, um im gesamten Kollektiv wieder besser zu werden. Damit das gelingt, dürfen wir nicht auf andere schauen, sondern müssen selbstkritisch sein und uns den Spiegel vorhalten. Es macht aus meiner Sicht aber überhaupt keinen Sinn, den Schuldigen für diesen Abstieg in einer Person allein zu suchen. In der Krise auf einen Einzelnen allein mit dem Finger zu zeigen, ist viel zu einfach. Es liegt jetzt vor allem auch an uns – und damit meine ich insbesondere Thomas und mich – die Stimmung im und rund um den Verein durch gute Leistungen im Sportbereich ins Positive zu drehen. Es ist unsere Pflicht, den Funken, den die Fans aus der Kurve uns geben, aufzunehmen und daraus ein Feuer zu entfachen.“
… seine Ziele mit dem VfB:
„Was hier für eine Power und Kraft in diesem Klub steckt, merkt man bei jedem Heimspiel mit 60.000 Zuschauern. Wir wollen und werden den VfB wieder flottkriegen. Es kann etwas Wunderbares entstehen. Was mit einem Team auch in relativ kurzer Zeit möglich ist, das funktioniert und an einem Strang zieht, hat Jürgen Klopp gerade gestern gezeigt. In dieser Hinsicht ist Kloppo das beste Beispiel und auch einer meiner Mentoren aus unserer Dortmunder Zeit. Diesen Spirit wollen wir auch wieder beim VfB erzeugen. Das ist absolut möglich und unser Ziel.“
… die Fortschritte bei der Kaderplanung:
„Seit der Vertragsunterschrift am 11. April hat mein Telefon nicht stillgestanden – egal, wo ich in den letzten Wochen war. Mit Mateo Klimowicz, Atakan Karazor und Philipp Klement konnten wir schon sehr früh die ersten drei Transfers vermelden. Wir haben hungrige Spieler dazubekommen und sind da ganz klar eine Strategie auf zwei Ebenen gefahren: Sie können uns in der 2. Liga sofort weiterhelfen, haben aber auch ganz klar das Entwicklungspotenzial für die Bundesliga. Zudem haben wir mit den Rückkehrern Marcin Kaminski und Orel Mangala gefühlt schon fünf Neuzugänge. Wir haben noch drei, vier weitere Spieler im Köcher, die diese Zusage ebenfalls gegeben haben, bei denen es aber auch eine Frage der finanziellen Rahmenbedingungen ist. Viel wichtiger ist uns aber, dass die Neuzugänge dem VfB bisher alle ihre Zusage gegeben haben, bevor überhaupt klar war, in welcher Liga wir die kommende Saison bestreiten. Dieses Commitment will ich selbst vorleben und ich erwarte es genauso von jedem Spieler und Mitarbeiter des VfB. Was die weiteren Personalentscheidungen betrifft, die so ein Abstieg unumgänglich mit sich bringt, ist unser klarer Anspruch, diese so schnell und so früh wie möglich zu lösen. Die Spieler mit auslaufendem Vertrag wollen wir etwa im Laufe der nächsten Woche über unsere Entscheidung informieren. Bei allen Personalfragen steht immer im Vordergrund, die Leistungskultur zu fördern. Das Leistungsprinzip kann nur gelten, wenn eine Konkurrenzsituation da ist, in der jeder um seinen Platz kämpfen muss und auch die Bereitschaft dazu mitbringt.“
… die Verpflichtung von Tim Walter als VfB Cheftrainer:
„Atakan Karazor hat sogar ein bisschen den Pfad zu Tim Walter geebnet nicht umgekehrt – doch das nur als kleine Anekdote am Rande. Wir haben Atakan intensiv beobachtet und dabei schnell gemerkt, dass Tim eine klare Idee am Ball hat. Im Fußball definiert sich vieles über Gegenpressing und die Arbeit gegen den Ball. Tim Walter pflegt einen Spielstil mit viel Mut und einer offensiven Ausrichtung. Wir wollen den Fokus wieder mehr auf das Spiel mit statt gegen den Ball legen. Wir bekommen einen Trainer, der die 2. Bundesliga kennt und dort mit Kiel einen herausragenden Job gemacht hat. Diese Art des Fußballs, bei der Mut an erster Stelle steht, ist unserer Überzeugung nach der Weg zu langfristigem Erfolg. Wohlwissend, dass das auch Zeit braucht, um einen solchen Spielstil zu implementieren. Ob das ein paar Wochen oder ein paar Monate dauert, ist erst einmal zweitrangig, das nehmen wir in Kauf.“
… eine Neuausrichtung zwischen Nachwuchs- und Profibereich:
„Wir wollen junge Spieler integrieren und fördern. Aber das ist auch immer ein Prozess und fließender Übergang, der auch Wellen, Höhen und Tiefen haben kann. Der VfB Stuttgart war immer bekannt dafür, dass er eine der besten U23-Mannschaften hat, in der viele Spieler den Zwischenschritt zum Profibereich gemacht haben. Das wir unsere jetzige U21 wieder auf diesen Weg bringen, soll und muss unser Anspruch sein. Inwiefern der direkte Sprung in die Profimannschaft sinnvoll ist, muss man immer individuell von Spieler zu Spieler beurteilen. Wir können nicht nur mit 19- und 20-Jährigen spielen, aber wir brauchen solche jungen Spieler mit der Qualität, den Arrivierten Konkurrenz zu machen. Man kann keinen 20-jährigen Spieler weiterbringen, ohne auch einen 28-Jährigen an seiner Seite zu haben. So kann etwa ein Mario Gomez mit seinen Erfahrungswerten beispielsweise einen Mateo Klimowicz wahnsinnig weiterbringen. Von seinem enormen Erfahrungsschatz profitieren junge Spieler ja nicht nur rein sportlich auf dem Platz. Da passiert auch viel in der Kabine.“
… die kommende Zweitliga-Saison:
„Die 2. Bundesliga ist in der kommenden Saison ein echtes Brett. Ich glaube, es ist nicht falsch zu sagen, dass es eine der besten 2. Ligen ist, die es je gab. Da sind einige Mannschaften dabei, die gefühlt noch Erstligisten sind, und auch einige, die vielleicht schwerer zu schlagen sind als der eine oder andere Bundesligist. Das ist natürlich eine Herausforderung, vor der wir aber keine Angst haben.“