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Profis, 7. Juli 2020

Zuckerl im Saisonendspurt

Sasa Kalajdzic hat sich in seiner noch jungen Karriere schon oft durchbeißen müssen - so auch in dieser Saison beim VfB. Mit Einsätzen und seinem ersten Tor hat er sich für die harte Arbeit nach seiner Verletzung belohnt. Ein Portrait.

In der Saison 2015/2016 war Sasa Kalajdzic an einem Punkt angekommen, an dem er keine Lust mehr hatte auf Fußballspielen. Es war wieder einer dieser tristen Sonntagmorgen, von denen es in diesem Jahr so einige für ihn gab. Er, das 18-jährige Talent, das sich einst ausgerechnet hatte, in den Profifußball zu stürmen, musste an jenem Tag wieder mal im Reserveteam des Viertligisten SR Donaufeld Wien mitkicken. Anpfiff: 8:30 Uhr. Zuschauer: so gut wie keine. Und weil die Reservemannschaft des SR Donaufeld noch nicht einmal über einen Torhüter verfügte, drückte man einfach dem kleinsten Spieler der Mannschaft zwei Handschuhe in die Hand und schickte ihn zwischen die Pfosten. Die Gegner nutzten das gnadenlos aus, schossen quasi von überall hoch aufs Tor – und gewannen am Ende mit 7:1. „Das war das peinlichste Spiel meines Lebens“, blickt Sasa Kalajdzic zurück, „danach hatte ich echt die Lust auf Fußball verloren.“

Doch wie so oft in dieser Zeit nahm ihn auch an jenem Tag wieder sein Vater, der in den 90er Jahren während des Kriegs in seiner Heimat Bosnien nach Wien gezogen war, beiseite und redete ihm gut zu. Er erklärte ihm, dass es manchmal im Leben auch schwierige Phasen gibt und er nicht vorschnell aufgeben darf. Also setzte Sasa Kalajdzic seine Fußballkarriere fort – und die sollte noch in derselben Saison so richtig losgehen.

Sasa Kalajdzic:

Ich hatte beim VfB einfach das beste Gefühl. Außerdem hat es mich sehr beeindruckt, dass Sven Mislintat extra zu uns ins Trainingslager ins Burgenland kam, um mit mir persönlich zu sprechen, obwohl von vornerein klar war, dass ich an dem Tag nur 30, 40 Minuten Zeit habe.

"Marcin war extrem wichtig für mich"

Wenn Sasa Kalajdzic über seine Fußballkarriere spricht, ist er Feuer und Flamme. Voller Begeisterung erzählt er detailliert von zahlreichen Szenen, die zu wegweisenden Toren für den Verlauf seiner Karriere führten. Er streicht die Bedeutung seines Vaters heraus, der alles dafür unternahm, dass der Filius nicht abhob, und von Ernst Baumeister, der an verschiedenen Stationen sein Trainer war und der ihn im sportlichen Bereich enorm weiterbrachte. Und er spricht ganz sachlich, frei von jeglicher Enttäuschung oder jeglichem Groll, manchmal auch mit einer gewissen Portion Selbstironie, über die Phasen, in denen es weniger gut lief. Wer Sasa Kalajdzic in diesen Momenten erlebt, der erkennt, wie sehr er für den Fußball brennt – und dass er sich ziemlich sicher auch durch die nächste große Herausforderung seiner Karriere, die er aktuell meistern muss, erfolgreich kämpfen wird.

Denn auch diesmal, als er sich auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Karriere befand und zum VfB wechselte, um im deutschen Profifußball durchzustarten, wurde einmal mehr sein ganzer Kampfgeist herausgefordert. Noch in der Saisonvorbereitung erlitt er einen Kreuzband-, Außenmeniskus- und Innenbandriss im Knie. Die bittere Folge: monatelange Reha statt Torjagd in der Mercedes-Benz Arena. „Ich habe schon einiges erlebt, aber diese Verletzung war wirklich hart. Es war keine einfache Situation. Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich die Saison vergessen kann. Zudem war ich am Anfang auch im Alltag komplett eingeschränkt. Ich kannte in Stuttgart noch kaum Leute und war fast bei allem auf Hilfe angewiesen, weil ich zum Beispiel auch nicht Auto fahren durfte“, blickt er zurück, „in dieser Phase war es sehr hilfreich, dass mir der Verein die Möglichkeit gegeben hat, mich bei meiner Familie in Österreich zu erholen. Das fand ich super und war auch sehr wichtig für meinen Kopf.“

Und so nahm er schon bald die Herausforderung an, schuftete über Monate hinweg Tag für Tag für sein Comeback. In der VfB Reha-Welt oft an seiner Seite dabei: Marcin Kaminski, der sich kurz nach ihm einen Kreuzbandriss zugezogen hatte. „Marcin war extrem wichtig für mich. Ich habe mich wirklich sehr gut mit ihm verstanden. Wir haben uns nicht nur in der Reha getroffen, sondern auch privat und ich durfte seine Familie kennenlernen“, sagt Sasa Kalajdzic, „als Marcin nicht mehr in der Reha-Welt war, weil er schon früher mit den Übungen auf dem Trainingsplatz anfangen konnte, habe ich gemerkt, dass er mir fehlt.“

Inzwischen trainieren die beiden längst wieder zusammen – ganz normal mit ihren Mitspielern auf dem Trainingsplatz. Und weil die Saison wegen der Corona-Unterbrechung nun einige Wochen länger andauert, konnte Sasa Kalajdzic inzwischen sogar schon sein Pflichtspieldebüt beim VfB geben. Gegen den Hamburger SV spielte er zwölf Minuten, gegen Dynamo Dresden eine und gegen den VfL Osnabrück 15. „Ich bin ein ehrgeiziger Typ, will so viele Tore wie möglich machen und eigentlich jede Minute spielen. Aber ich weiß, dass das noch nicht geht“, sagt er, „ich habe nun die Einstellung, dass jede Minute, die ich spiele, ein Zuckerl ist – dass ich aber auch alles gebe und unbedingt etwas dazu beitragen möchte, dass wir als Verein unser Saisonziel erreichen. Wenn wir jetzt aufsteigen, wäre das für mich das Happy End dieser Geschichte.“

Info

Dieses Portrait über Sasa Kalajdzic ist erstmals in der stadion aktuell zum Heimspiel gegen den SV Sandhausen am 17. Juni erschienen. Der Stürmer gab in dieser Partie sein Startelfdebüt im Trikot mit dem roten Brustring, war bis zur 70. Minute mit von der Partie und half dabei mit, dass sich der VfB deutlich mit 5:1 durchsetzte. Nur wenige Tage später beim Auswärtsspiel in Nürnberg erzielte Sasa Kalajdzic sein erstes Pflichtspieltor für den VfB und bereitete beim 6:0 einen weiteren Treffer vor. An diesem Dienstag, 7. Juli, feiert der Österreicher seine 23. Geburtstag.