Aller Anfang ist schwer
Als Aufsteiger erwischte Holstein Kiel ein hartes Auftaktprogramm, präsentierte sich dabei aber mutig. Neben den Spielen gegen Spitzenreiter Bayern München (1:6), den Deutschen Meister Bayer Leverkusen (2:2) und den aktuellen Tabellensechsten Eintracht Frankfurt (2:4) bekamen es die Kieler bislang mit der TSG Hoffenheim (2:3), dem VfL Wolfsburg (0:2), dem VfL Bochum (2:2) und Union Berlin (0:2) zu tun. Gegen Letzteren errang der Zweitliga-Vizemeister am vierten Spieltag den ersten Punkt der Bundesliga-Historie, gegen Leverkusen folgte zwei Wochen später der zweite. Dass man sich in diesem Spiel nach einem frühen 0:2-Rückstand noch ein Remis erkämpfte, spricht für die Moral der wegen ihrer traditionell in weiß gehaltenen Hosen und der roten Stutzen „Störche“ genannten Holsteiner. Zwar weisen die kommenden Gäste des VfB mit bereits 21 Gegentoren die anfälligste Hintermannschaft der Liga auf, blieben aber bisher auch nur zweimal ohne eigenen Torerfolg. Vor allem der 25-jährige Japaner Shuto Machino präsentiert sich gefährlich vor des Gegners Tor und traf bereits viermal.
Blau-weiß durch und durch
Seit ziemlich genau drei Jahren leitet der 45-jährige Marcel Rapp als Cheftrainer die Geschicke bei Bundesligaaufsteiger Holstein Kiel. Er übernahm im Oktober 2021 das Amt von seinem Vorgänger Ole Werner, der damals zu Werder Bremen wechselte und dort bis heute im Amt ist. Für Marcel Rapp ist das Engagement bei den „Störchen“ sein erstes als Cheftrainer im Profibereich. Seine ersten Schritte an der Seitenlinie machte der ehemalige Innenverteidiger bereits vor zwölf Jahren als Co-Trainer des FC Nöttingen in der Oberliga Baden-Württemberg, ehe er ab Anfang 2013 für die TSG Hoffenheim arbeitete. Zunächst ebenfalls als Co-Trainer der U17 tätig, stieg Marcel Rapp dort 2015 zum Cheftrainer der U17 auf und wechselte 2017 zur U19, mit der er unter anderem auch in der UEFA Youth League antrat und die er bis zu seinem Wechsel 2021 betreute. Im Sommer 2020 übernahm er interimistisch für insgesamt vier Spiele die Leitung der Bundesligamannschaft der TSG. Das Spiel am Samstag wird sein 106. an der Seitenlinie bei Holstein Kiel.
Als aktiver Spieler lief Marcel Rapp unter anderem in 298 Spielen in der Regionalliga-Süd und 63 Partien in der Oberliga Baden-Württemberg auf. Die meisten absolvierte er dabei für den SC Pfullendorf, die Stuttgarter Kickers und den Karlsruher SC II.
Deutschlands erster Double-Sieger
Apropos Karlsruhe: 1912 krönte sich Holstein Kiel zum ersten deutschen Doublesieger. Nachdem man Eintracht Braunschweig im Finale um die Norddeutsche Meisterschaft mit 3:2 geschlagen hatte, bekamen es die Störche im Endspiel der Meisterschaftsendrunde mit dem Karlsruher FV zu tun. Holstein Kiel gewann mit 1:0. Wenige Wochen später holte die KSV (Kieler Sportvereinigung) zusätzlich die Deutsche Akademikermeisterschaft, die zwischen 1911 und 1914 vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dem Deutschen Akademiker-Bund ausgerichtet wurde. Holstein schlug den VfB Marburg damals mit 2:0. Insgesamt drei Spieler gehörten beiden Meisterschaftskadern an. Neben den beiden Titeln im Jahr 1912 wurde man 1910 und 1930 jeweils Vizemeister.
Holstein Kiel verbrachte auch die Jahrzehnte bis zur Gründung der Bundesliga in der Oberliga, der höchsten deutschen Spielklasse. Weil die Qualifikation für das neugeschaffene Oberhaus im Jahr 1963 jedoch misslang, spielte Holstein Kiel fortan in der zweitklassigen Regionalliga Nord. Als elf Jahre später zur Saison 1974/1975 erstmals die zweigleisige Zweite Bundesliga an den Start ging, scheiterten die „Störche“ zunächst erneut an der Qualifikation, stiegen am Ende der Saison 1977/1978 aber auf. Doch auch als zur Saison 1981/1982 die Zweite Bundesliga zu einer eingleisigen, bundesweiten Meisterschaft reformiert wurde, verpassten die „Störchen“ die Qualifikation über eine Dreijahreswertung.
Die nächste Reform des Ligasystems folgte zur Saison 1994/1995. In der neugegründeten Regionalliga Nord, für die sich Holstein Kiel durch Platz sieben in der Vorsaison qualifizierte, landeten die Holsteiner im ersten Jahr auf Rang elf, mussten eine Saison später aber zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte einen sportlichen Abstieg hinnehmen und pendelten zwischen 1996 und 2013 zwischen der Dritt- und Viertklassigkeit hin und her. Nach dem Wiederaufstieg in die Dritte Liga im Jahr 2013 festigten sich die Holsteiner und stiegen vier Jahre später in die zweite Bundesliga auf.
Dort schlossen die Kieler sechs ihrer sieben Spielzeiten unter den ersten Zehn ab und scheiterten zweimal nur knapp am Bundesliga-Aufstieg, als man 2018 gegen den VfL Wolfsburg und 2021 gegen den 1. FC Köln in der Relegation antrat. Nach Jahren in der Spitzengruppe der Zweiten Bundesliga gelang in diesem Sommer endlich der direkte Aufstieg. Damit nimmt in dieser Saison mit den „Störchen“ zum ersten Mal ein Club aus Schleswig-Holstein an der Bundesliga teil.