Es lief die 88. Minute, als sich Fabian Rieder um seinen Gegenspieler drehte, schoss – und das Stadion schon auf dem Weg zum Jubeln war. Doch Peter Vindahl, die Nummer eins von Sparta Prag, machte sich ganz lang und kratzte den Ball um den Pfosten. Eine bezeichnende Szene für das erste Heimspiel des VfB Stuttgart in der UEFA Champions League seit 14 Jahren, das gegen den tschechischen Rekordmeister 1:1 endete: Der VfB rannte an, übte Druck aus und probierte viel, aber im Strafraum fehlten diesmal ein paar Prozent.
Das stellte auch Sebastian Hoeneß in seiner Analyse nach der Partie heraus. „In der zweiten Halbzeit war es über weite Strecken ein Spiel auf ein Tor – wir hatten genug Ansätze, um den einen Treffer mehr als der Gegner zu erzielen“, ordnete der Cheftrainer zunächst ein, um anschließend noch tiefer in die Ursachenforschung einzusteigen: „Wir müssen die vorhandenen Fenster und Möglichkeiten noch besser nutzen, unsere Besetzung in der Box noch besser ausspielen und die richtigen Entscheidungen im letzten Drittel treffen.“
Gegen tiefstehende Gegner noch zielstrebiger werden
Gut möglich, dass das zum Entwicklungsprozess für die Jungs aus Cannstatt gehört. Der VfB will den Ball haben, will aktiv sein, immer wieder Lösungen finden. Gegen einen tiefstehenden Gegner – so wie es Sparta Prag in der zweiten Halbzeit über weite Strecken praktizierte – werden die Räume schnell eng. „Gegen tiefstehende Gegner müssen wir etwas zielstrebiger werden“, sagte Kapitän Atakan Karazor.
Und dann ist da noch die Qualität des Gegners. Sparta Prag, Dauergast in den Europapokal-Wettbewerben, trat gut organisiert und kompakt auf, hatte „eine gute Schärfe gegen den Ball“, wie es Sebastian Hoeneß formulierte: „Prag hat sich den Punkt ein Stück weit erfightet.“ Gleichzeitig sei es auch darum gegangen, bei allem Drängen und Drücken auf den vermeintlichen Siegtreffer nicht in einen Konter hereinzulaufen, sondern mindestens den einen Punkt festzuhalten.
Heimsieg in einem der nächsten UEFA Champions League-Spiele nachholen
Das gelang, und spricht gleichzeitig für einen (schnellen) Lernprozess des VfB auf internationaler Bühne, nachdem bei Real Madrid (1:3) die spielentscheidenden Gegentreffer in der 83. Minute und der Nachspielzeit fielen. Darüber hinaus halfen auch Kulisse und Atmosphäre, um die Heim-Rückkehr auf die Bühne der UEFA Champions League mit einem dankbaren, schönen Gefühl zu verknüpfen. Nicht zu vergessen, dass der VfB noch vor 17 Monaten erst in der Relegation den Bundesliga-Klassenerhalt geschafft hatte und seitdem eine beeindruckende Entwicklung nimmt, in der die „Königsklasse“ etwas Außergewöhnliches darstellt.
„Unsere Fans hatten genauso Bock wie wir, die Stimmung war besonders“, sagte Offensivspieler Jamie Leweling und hob exemplarisch die Choreografie in der „Cannstatter Kurve“ hervor. In der mit 60.000 Fans ausverkauften MHP Arena war sehr vielen Menschen anzusehen, wie emotional sie es empfanden, die Hymne der UEFA Champions League im eigenen Stadion hören zu dürfen und somit zurück in Europa zu sein. Torhüter Alexander Nübel brachte die Gefühlslage der Mannschaft und vieler Fans nach Abpfiff auf den Punkt: „Wir hätten unser erstes Champions-League-Heimspiel gerne gewonnen.“ Wohlwissend, dass aus dem 1:1 gegen Prag nun der Ehrgeiz erwächst, es im nächsten Heimspiel gemeinsam nachzuholen.