Frau Maintok, Herr Erhard, in der Satzung des VfB sind in Bezug auf mögliche Kandidaten für die Nachfolge von Thomas Hitzlsperger im Präsidium Kriterien wie Führungserfahrung und Mitgliedschaft, aber auch eine Altersbegrenzung ohnehin schon festgelegt (Näheres dazu gibt es auf Seite 10 in der "dunkelrot", Ausgabe 1 im Jahr 2019). Welches Profil fordert der Vereinsbeirat darüber hinaus von den Bewerbern?
Claudia Maintok: „Zunächst einmal ist es sehr schade, dass Thomas aus dem Präsidium ausscheidet. Wir hatten eine sehr gute Zusammenarbeit. Im aktuellen Präsidium haben wir ja bereits Finanzund Wirtschaftskompetenz vertreten, aber aus unserer Sicht fehlt der sportliche Schwerpunkt. Daher wäre es wünschenswert, wenn das künftige Präsidiumsmitglied aus dem sportlichen Bereich kommt, um das aktuelle Team perfekt zu ergänzen.“
Wolf-Dietrich Erhard: „Zunächst möchte ich mich, im Namen des gesamten Vereinsbeirats, sehr herzlich bei Thomas Hitzlsperger für sein Engagement und die vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Unser Ziel ist nun, jemanden zu finden, der das Thema Sportkompetenz ähnlich verkörpert wie es Thomas Hitzlsperger getan hat. Mit ihm haben wir im e.V. jemanden verloren, der als Identifikationsfigur und Sympathieträger, ausgestattet mit dem nötigen Knowhow, mit offenen Ohren und viel Verständnis für die jeweiligen Situationen in die Abteilungen ging. Das künftige Präsidiumsmitglied – so wäre unsere Vorstellung – soll den Bereich des Sports des VfB e.V. weiterentwickeln. Wir wollen natürlich jemanden, der den Brustring trägt, aber der- oder diejenige muss in der Vergangenheit kein Amt beim VfB ausgeübt haben. Das hatten Wolfgang Dietrich und Bernd Gaiser vor ihrer Wahl auch nicht.“
Werden Sie der Mitgliederversammlung einen oder zwei Kandidaten zur Abstimmung vorschlagen?
Claudia Maintok: „Das ist momentan noch offen. In der Satzung ist nur geregelt, dass wir bis zum 14. April, also drei Monate vor der Mitgliederversammlung, alle Bewerbungen vollständig vorliegen haben müssen. Wir sind gerade dabei, diesen Prozess zu gestalten, da betreten wir als Vereinsbeirat aber auch Neuland.“
Wolf-Dietrich Erhard: „Klar ist aber, dass sich die potenziellen Kandidaten erst dem Vereinsbeirat vorstellen müssen, um sich dann rechtzeitig vor der Mitgliederversammlung den Mitgliedern präsentieren zu können. Da wird keiner auf einmal aus dem Nichts auftauchen.“
Ändert sich etwas an den Rahmenbedingungen, zum Beispiel bei der Vergütung?
Wolf-Dietrich Erhard: „Derzeit sehe ich dies nicht. Sowohl Präsident Wolfgang Dietrich als auch Dr. Bernd Gaiser sind ehrenamtlich tätig. Da würde es ja eine Schieflage geben, wenn wir nun einen Hauptamtlichen dazu nehmen. Thomas Hitzlsperger war ja auch ehrenamtlich im Präsidium tätig.“
Kommen wir zum Vereinsbeirat, der nach seiner konstituierenden Sitzung im Januar 2018 die Arbeit aufgenommen hat. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Vereinsbeirat und Präsidium im Alltag aus?
Claudia Maintok: „Zunächst einmal sind unsere Aufgaben ganz klar in der Satzung geregelt. Der Vereinsbeirat hat neben der Aufsichts- und Kontrollfunktion auch eine beratende Funktion gegenüber dem Präsidium. Vor allem wir drei Vereinsbeiräte aus der Gruppe Mitglieder und Fans versuchen dem Präsidium gegenüber möglichst gut die Sicht der Mitglieder widerzuspiegeln. Auf der anderen Seite informiert uns das Präsidium zu Sachverhalten, die den e.V. oder die AG betreffen, und holt sich dann dazu unser Meinungsbild ein. Wir sind in einem sehr guten Austausch.“
Wolf-Dietrich Erhard: „Und zwar in einem äußerst intensiven und konstruktiven, aber auch kritischen Austausch. Es ist ja niemandem geholfen, wenn wir uns nur gegenseitig auf die Schultern klopfen. Wir präsentieren unsere Meinungen offen und ehrlich – und ungeschminkt.“
Claudia Maintok: „Das wird auch dadurch deutlich, dass an jeder Präsidiumssitzung mindestens einer von uns beiden teilnimmt. Und andersrum nimmt auch immer ein Präsidiumsmitglied – je nach Thema – an unseren Vereinsbeiratssitzungen teil“.
Wolf-Dietrich Erhard: „Darüber hinaus sind wir zu unterschiedlichsten Themen bilateral in Abstimmungen zu Gange. So eine intensive Zusammenarbeit zwischen zwei Gremien gab es beim VfB noch nie – und das ist ein richtiges Pfund zum Wohle des Vereins. Zum Ende der Amtszeit des Ehrenrats gab es dahingehende Ansätze, aber die Zusammenarbeit ist nun von einer ganz anderen Qualität. Der Vereinsbeirat hat jetzt allerdings auch andere Funktionen und Verantwortlichkeiten mit Beratung, Kontrolle und Aufsicht, als sie das frühere Ehrenratsgremium hatte."
Fühlen Sie sich mit Ihren Anregungen vom Präsidium ernst genommen?
Wolf-Dietrich Erhard: „Auf jeden Fall. Wir stoßen auf offene Ohren, auch wenn es inhaltlich manchmal unterschiedliche Herangehensweisen gibt. Da haben wir nun eine Qualität erreicht in der Zusammenarbeit, bei der ich sagen kann, dass wir auf einem richtig guten Wege sind. Da bin ich ein Stück weit auch stolz drauf. Nicht alles, was wir uns vorstellen, wird auf der anderen Seite gutgeheißen. Aber: Wir geben Hinweise und formulieren manchmal auch Empfehlungen zu Dingen, die uns auffallen. Und das wird dann sehr ernst genommen. Aber eines möchte ich klar darlegen: Wir sind kein zweites Präsidium. Die Verantwortung des operativen Geschäfts beim VfB e.V. liegt ausschließlich beim Präsidium und das ist auch nach unserer Satzung klar und eindeutig geregelt.“
Ziehen wir einmal Bilanz über die ersten 14 Monate: Was hat der Vereinsbeirat erreicht?
Wolf-Dietrich Erhard: „Wir haben die Ehrenordnung überarbeitet und die Abläufe optimiert. So können jetzt zum Beispiel auch die offiziellen Fanclubs geehrt werden. Das war zwar in der jüngsten Vergangenheit schon so, aber bislang noch nicht in der Ehrenordnung drin. Zudem haben wir einen neuen, einheitlichen Prozess entwickelt. Früher war es so, dass man als Abteilungsleiter irgendwann mal eine Person zur Ehrung vorschlug, von der man überzeugt war, dass sie es verdient hat. So gab es übers Jahr verstreut viele Anträge, von denen auch mal einer durchs Sieb gefallen ist. Nun gibt es eine neue, einheitliche Vorgehensweisen, sodass nichts mehr verloren geht. Ein weiterer Punkt, den wir angepackt haben, ist die Stärkung der Abteilungen.“
Was bedeutet das konkret?
Wolf-Dietrich Erhard: „Wir haben festgestellt, dass der erste öffentliche Auftritt der VfB Abteilungen teilweise völlig verschieden ist. Teilweise haben Abteilungen ihre eigenen Internetseiten, auf denen es im Vergleich mit der Hauptseite vfb.de keine einheitliche Struktur gibt. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Vereinheitlichung der Ausrüstung. Das einheitliche Corporate Design ist nicht in allen Abteilungen gegeben. Da haben unsere Vereinsbeiratskollegen Prof. Dr. André Bühler und Prof. Christof Seeger zusammen mit Vertretern aus dem Verein und aus den Abteilungen einen Workshop abgehalten und mit den Abteilungen die Bedürfnisse abgeklärt und anschließend auch Lösungen erarbeitet.“
Claudia Maintok: „Zudem stehen die Abteilungen jetzt strukturell und finanziell besser da. Erstmals haben sich beim ,Tag des Brustrings‘ zum Vereinsjubiläum alle Abteilungen gemeinsam öffentlich präsentiert. Ganz wichtig war, dass die Budgets deutlich erhöht wurden. Man darf nicht vergessen, dass wir seit der Ausgliederung zirka 24.000 Mitglieder mehr als vorher haben. Diese Mehreinnahmen durch die Mitgliedsbeiträge fließen eins zu eins in den e.V. – einmal in die Fußballjugend, einmal in die anderen Abteilungen.“
Wolf-Dietrich Erhard: „Durch diesen deutlichen Zuwachs an Budgets konnten wir zum Beispiel in der Faustballabteilung jemanden finanzieren, der in die Schulen geht und dort Faustballunterricht gibt. Wir konnten Übungsleiter und FSJ‘ler engagieren, um die Kooperationen mit Schulen mit Leben zu füllen, um dadurch Nachwuchs zu generieren. Und das gilt genauso für die Leichtathletik-, Tischtennis-, Schiedsrichter- und Hockeyabteilung, wo es nun entsprechende Projekte gibt, die vorher nicht umsetzbar waren. Das Geld wird für diese neuen Projekte allerdings nicht einfach nur bereitgestellt, sondern in einem strukturierten Budgetprozess, welchen das Präsidium neu aufgesetzt hat, genehmigt und zur Verfügung gestellt. Als Vereinsbeirat genehmigen wir wiederum den Finanzplan des VfB e.V., der auch diese Budgets beinhaltet und am Jahresende wird uns auch das Ergebnis dargelegt.“
Claudia Maintok: „Ganz grundsätzlich kann man sagen: Die Findungs- und Einarbeitungsphase, in der wir Vereinsbeiräte uns zunächst befunden hatten, ist nun abgeschlossen. Auch wir mussten uns erst einmal finden, schließlich waren es zu Beginn neun Personen, die sich zum Großteil nicht kannten. Darüber hinaus mussten wir uns in diverse Vereinsthemen einarbeiten, beispielsweise in den Finanzplan des e.V. für dessen Genehmigung wir ja unter anderem zuständig sind. Aber jetzt ist es an der Zeit, noch weitere Themen anzupacken, deren Ergebnisse dann für die Mitglieder noch sichtbarer sind.“
Können Sie bitte ein Beispiel nennen?
Wolf-Dietrich Erhard: „Ein Punkt ist das Thema Dialog mit den Mitgliedern. Den Austausch mit den Mitgliedern haben wir vor zwei, drei Jahren deutlich besser hinbekommen, allerdings auch durch die Regionalversammlungen, die einen unheimlichen Aufwand bedeuteten, den man so nicht aufrechterhalten kann. Danach ist der Dialog etwas abgerissen. Es ist zwar noch nicht endgültig geklärt, in welcher Form und in welchen Formaten – aber sicher ist, dass der Austausch noch in diesem Jahr wieder intensiviert wird.“
Claudia Maintok: „Was man schon sagen kann: Es wird demnächst eine Veranstaltung ,VfB im Dialog‘ mit dem Präsidium und dem Vereinsbeirat geben. Wir sind da gerade in der Planung.“
Teile der Mitglieder und Fans haben in den vergangenen Wochen immer wieder teils heftige Kritik an Präsident Wolfgang Dietrich geübt. Wie sieht der Vereinsbeirat die Situation, in der sich der VfB im März 2019 befindet?
Claudia Maintok: „Man muss vorsichtig sein, dass man nicht alles in einen Topf wirft. Es gibt ganz, ganz viele Dinge, die unabhängig von der momentanen sportlichen Situation im Profibereich sehr gut laufen im Verein. Da finde ich es sehr schade, dass die derzeitige sportliche Lage im Profibereich teilweise mit allem gleichgesetzt wird und man nicht mehr all das sieht, was gut läuft – und es läuft einiges gut.“
Zum Beispiel?
Claudia Maintok: „Die erweiterten Möglichkeiten für die Abteilungen seit der Ausgliederung haben wir vorhin schon angesprochen. Darüber hinaus ist der Verein strukturell so gut aufgestellt wie nie zuvor. Die Infrastruktur wurde in jüngster Vergangenheit zudem deutlich verbessert, wovon auch vor allem der Jugendbereich profitiert. Vor allem die größere finanzielle Unabhängigkeit des Nachwuchsbereichs vom Profisport gilt es hier hervorzuheben. Schauen Sie sich die aktuellen Tabellensituationen der Jugendmannschaften an, ich denke, das sagt alles. Dazu kommen noch die ganzen anderen Erfolge der anderen Abteilungen, beispielsweise der Leichtathleten oder Hockeymannschaften. Auch die Aufarbeitung der NS-Zeit wurde endlich einmal angepackt. Und man darf nicht vergessen, dass mit der Ausgliederung eine Frage gelöst wurde, die den Verein über Jahre hinweg teils intensiv beschäftigt hatte. Wir haben seither – wie bereits erwähnt – einen starken Mitgliederzuwachs verzeichnen können, was zu Mehreinnahmen für den Verein führt. Wir arbeiten in den Gremien gut und zielgerichtet zusammen. Auf dieser Basis werden jetzt Themen wieder angepackt und nicht wie in den letzten Jahren immer vor sich hergeschoben. Der Verein hat sich insgesamt in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren sehr positiv entwickelt. Auch deshalb wurden bei der letzten Mitgliederversammlung Wolfgang Dietrich und die weiteren Mitglieder im Präsidium mit etwa 90 Prozent entlastet und nun, ein dreiviertel Jahr später, soll plötzlich alles schlecht sein? Das ist nicht ganz nachvollziehbar. Und die ganze Kritik auf eine Person auszurichten, das wird Wolfgang Dietrich nicht gerecht. Er steckt tagtäglich sehr viel Energie in den VfB, das muss man auch mal anerkennen.“
Wolf-Dietrich Erhard: „Wir sind beide auch Fans und fiebern mit dem VfB mit. Wir sind genauso enttäuscht und traurig über das, was wir manchmal auf dem Rasen sehen. Aber das darf nicht dazu führen, dass alles schlecht geredet wird. Man muss wirklich differenzieren. Kritik ist gut und muss sein. Aber persönliche Beleidigungen und Diffamierungen kann ich nicht für gutheißen. Und wenn der VfB für Werte steht, die da heißen, dass man respektvoll miteinander umgeht, dann sind wir teilweise weit davon entfernt. Das darf so nicht sein! Ja, wir haben schlechte sportliche Zeiten, aber man muss die Kirche auch mal im Dorf lassen. Man kann nicht eine Person für alles, was auf dem Rasen passiert, verantwortlich machen.“
Ein Kritikpunkt, der immer wieder geäußert wird, ist, dass der Einfluss der Mitglieder durch die Ausgliederung beschnitten wurde.
Wolf-Dietrich Erhard: „Da muss ich komplett widersprechen. Die VfBler, die das behaupten, sollen sich mal die Satzung richtig durchlesen. Das Gegenteil ist der Fall. So viel Einfluss wie aktuell – insbesondere mit den direkten Wahlen der Präsidiums- beziehungsweise Vereinsbeiratsmitglieder und das Recht entsprechende Vorschläge für die Kandidaten einzubringen – hatte ein Mitglied in den letzten Jahrzehnten nie. Unsere VfBlerinnen und VfBler müssen aber auch zu den Mitgliederversammlungen kommen und sich dort entsprechend artikulieren. Ich kann nur jede und jeden auffordern, sich schon jetzt den 14. Juli als Termin zu notieren und freizuhalten.“