Hallo Frau Rommel, schön, dass wir Sie interviewen dürfen. Gehen Sie gerne ins Stadion?
Iris Rommel: „Ja, ich gehe sehr gerne ins Stadion. Als Dauerkarten-Besitzerin bin ich bei den Heimspielen durchweg dabei. Man trifft mich und die anderen tauben Fans im Block 75 an. Leider sind durch die Corona-Pandemie die Besuche aber eingeschränkt.“
Wie ist das Stadionerlebnis als Nicht-Hörende? Können Sie den Hörenden einen Eindruck geben, wie Sie die Stadionstimmung wahrnehmen?
Iris Rommel: „Als gehörloser Mensch nimmt man visuell mehr wahr als hörende Menschen. Wir erleben die Emotionen mehr über die Augen als über die Ohren. Fangesänge bekommen wir über die Vibrationen der Bässe mit. Die Stadionstimmung geht also nicht verloren.“
Sie haben für uns die Spielernamen in Gebärdensprache entwickelt. Wie funktioniert das?
Iris Rommel: „Gehörlose Menschen haben eine eigene Kultur. Es ist üblich, dass wir beim Vorstellen gleich unseren eigenen Gebärdennamen zeigen. Das heißt, wir buchstabieren nicht jedes Mal unseren Namen mithilfe des Fingeralphabets, sondern zeigen eine Geste, die ein markantes Merkmal von uns widerspielgelt. Zu dieser Geste sagen wir dann unseren Namen. So hat jede Person seinen individuellen Gebärdennamen.“
Wie ist Ihr Vorgehen bei der Entwicklung der Namen?
Iris Rommel: „Bei der Vergabe von Gebärdennamen wird auf folgende Dinge geachtet: Die körperliche Beschreibung und das Aussehen, der Charakter, besondere Merkmale oder Gewohnheiten. Manchmal auch Hobbies. Das aber ganz selten. Nur wenn es was Besonderes ist. Es ist ganz wichtig zu betonen, dass die eigene, von der Gebärdensprachgemeinschaft zugewiesene, Namensgebärde nicht zu persönlich genommen wird. Wir möchten niemanden verletzen. Durch eine starke visuelle Ausprägung erkennen wir schnell die Kleinigkeiten am Aussehen oder typische Charaktereigenschaften einer Person.“
Was war die Herausforderung?
Iris Rommel: „Es war eine neue Herausforderung, in kurzer Zeit so viele Gebärdennamen für Spieler und Trainer zu vergeben. Vor diesem Projekt gab es in unserer „Tauben-Fangemeinschaft“ nur für ein paar Spieler Gebärdennamen. Dafür haben wir sie über einen längeren Zeitraum beobachtet und nach unverwechselbaren Attributen geschaut. Jetzt haben wir uns intensiver damit beschäftigt und auch neue Spieler kennengelernt.“
Das Thema Inklusion ist uns beim VfB ja sehr wichtig. Wie nehmen Sie das Engagement wahr?
Iris Rommel: „Der VfB nimmt die Verantwortung bezüglich Barrierefreiheit für gehörlose Fans ernst. Mit viel Engagement wurde einiges gut umgesetzt. Im Stadion gibt es beispielsweise einen Gehörlosen-Block, sodass die tauben Fans gemeinsam das Spiel verfolgen können. Das finde ich super. Die Mitgliederversammlungen werden seit einigen Jahren von Gebärdensprach-Dolmetscherinnen und -Dolmetschern übersetzt. Ebenso die Pressekonferenzen des Trainers. Die Entwicklungen sind da. Was mich besonders stolz macht ist, dass alle VfB-Spieler ihren Gebärdennamen im Stadion-Screen zur Aufstellung selbst zeigen. Damit ist der VfB ein Vorreiter in der deutschen Fußballgeschichte.“