
Franz Fischer weiß ganz genau, was er will. Der 74-Jährige erscheint top vorbereitet auf sein Interview in der Vesperkirche. Im Chor der Stuttgarter Leonhardskirche lässt er sich nieder, das Rollköfferchen wird ordentlich neben der Stuhlreihe geparkt, und nach der etwas dusseligen Einstiegsfrage („Sind Sie VfB-Fan?“ – „Ha der frogt mi was!“), zieht Fischer einen Din-A4-Zettel aus der Tasche, auf dem er die Eckpfeiler seines Lebens notiert hat.
Der gelernte Bäcker und Koch sei schon sein ganzes Leben lang Anhänger des VfB Stuttgart. „Ursprünglich komme ich aus der Gegend rund um Weilheim an der Teck, also aus dem ländlichen Raum. Damals sind wir mit der Dampflok nach Bad Cannstatt zum VfB getuckert“, erzählt er. Von seinem kargen Lehrlingslohn habe er sich den Eintritt zum Verein mit dem Brustring nicht häufig leisten können. „Am Anfang habe ich vielleicht 100 Mark im Monat bekommen, da waren die fünf Mark für die Eintrittskarte nicht ohne“, sagt Fischer. Im Laufe der Zeit kamen dann aber doch einige Stadionbesuche zusammen. Dabei habe er so viel Freude genießen und so viele Fans kennen lernen dürfen, dass er dem Club bis heute sehr dankbar sei.
Plötzlich mit Alexander Wehrle im Gespräch
Inzwischen ist Fischer sogar Mitglied des VfB Stuttgart. Und so erlebte er das bisher vielleicht größte Highlight seiner Fan-Karriere auf der Mitgliederversammlung 2024: „Da habe ich für einen Redebeitrag viel Beifall erhalten und durfte mich anschließend sogar mit Alexander Wehrle austauschen, dem Vorstandsvorsitzenden des Vereins.“
Fischer schwärmt so sehr von dieser Begegnung, von dem Gespräch, dass schnell klar wird: Darauf kommt es ihm im Leben an, auf den Austausch. „Deshalb komme ich auch so gerne in die Vesperkirche. Nicht wegen des Essens. Als Koch weiß ich ja selbst am besten, was ich mir kochen kann, und Kartoffeln gehen zum Beispiel immer.“
Franz Fischer komme auch nicht wegen der Lebensmittel, die es in der Vesperkirche gibt, oder wegen des köstlichen Kaffees, sondern weil er sich mich mit anderen Menschen austauschen kann. „Ich bin ein Vagabund, der viel auf Reisen ist“, so Fischer. „In der Vesperkirche suche ich mir meinesgleichen und erzähle dann von mir.“
Vesperkirche als Ort des Friedens
Zuhören kann der gelernte Bäcker und Koch ebenfalls sehr gut. Als er von den gestiegenen Lebenskosten berichtet, von der hohen Energie-Nachzahlung, die er tätigen muss, und von der Gefahr, auf der Straße zu landen, wenn man seine Miete nicht mehr zahlen kann, ergreift Gabriele Ehrmann das Wort, die als Diakoniepfarrerin die Vesperkirche Stuttgart leitet.
Sie liefert einen Impuls zum Nachdenken, der mit den folgenden Worten endet: „Die Vesperkirche ist ein Ort des Friedens. Dazu trage ich bei, dazu trägst Du bei.“ Als die Worte verklungen sind, nickt Fischer zustimmend mit dem Kopf. „Es ist mir eine große Ehre, dass Frau Ehrmann mich für dieses Interview empfohlen hat“, sagt Fischer, richtet seinen VfB-Schal zurecht und verabschiedet sich, um sich mit anderen Besucherinnen und Besuchern austauschen zu können, in seinem zweiten Zuhause, der Vesperkirche.
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